Fachaustausch zum Bundesteilhabegesetz

Das Bundesteilhabegesetz führt zu vielen Veränderungen – sowohl für Leistungsanbieter als auch Leistungsträger. Heute habe ich ein sehr interessantes Gespräch mit der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales geführt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie das Land Berlin zukünftig die Teilhabebedarfe von Menschen mit Behinderungen ermitteln will.

Was verändert sich durch das Bundesteilhabegesetz?

Das Bundesteilhabegesetz (kurz: BTHG) sieht ab 2018 neue Regeln zum Gesamplanverfahren und zur Bedarfsermittlung vor (Infos zum BTHG: hier). In der Eingliederungshilfe muss dann die Ermittlung des individuellen Bedarfs mit einem an der ICF orientierten Instrument erfolgen. ICF steht für „International Classification of Functioning, Disability and Health“, auf deutsch: Internationale Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit. Es handelt sich um eine Klassifikation von Behinderung der Weltgesundheitsorganisation. Sie bringt ein neues Verständnis von Behinderung mit sich, das den sozialen Einflussfaktoren mehr Bedeutung beimisst.

Das BTHG sieht die Möglichkeit vor, dass die Länder nähere Vorgaben für das Instrument der Bedarfsermittlung machen. Welche Länder hiervon Gebrauch machen, ist noch offen. Klar ist aber, dass die Leistungsträger der Eingliederungshilfe, die bisher nicht mit einem ICF-orientierten Instrument arbeiten, unter Zugzwang stehen. Wobei sicherlich Interpretationsspielraum herrscht, was ICF-Orientierung konkret meint.

Erfreulich ist, dass das Land Berlin die Neuerungen durch das BTHG nutzen will, um die Bedarfsermittlung auf den Prüfstand zu stellen und weiterzuentwickeln. Bislang werdenn in Berlin die Bedarfe einer Person je nach festgestellter Behinderungsart unterschiedlich erhoben: bei Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung mit dem einen Instrument (HMB-W), bei Menschen mit seelischer Behinderung mit einem anderen (BBRP). Die Senatsverwaltung will nun prüfen, ob ein Instrument für alle sinnvoll ist. Und das neue Instrument soll den Anforderungen des BTHG gerecht werden.

Teilhabeplanung – wichtige Schaltstelle im Leistungsgeschehen

Ich habe im Gespräch mit der Berliner Senatsverwaltung deutlich gemacht, dass ich die Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung als eine der wichtigsten Schaltstellen im Leistungsgeschehen halte. Hier entscheidet sich, welche Unterstützung wem zugänglich gemacht wird – und welche nicht. Diese Frage ist für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung auf Unterstützung angewiesen sind, essentiell.

So wichtig ein gut durchdachtes, praktikables und akzeptiertes Instrument auch ist – die Güte der Bedarfsfestellung und Teilhabeplanung hängt ganz wesentlich auch von der Durchführung ab. Ich kann ein noch so tolles Instrument haben. Es hilft nicht, wenn ein Hilfeplaner nach alter Gewohnheit die Bedarfe angebotsbezogen feststellt. Wenn er nur danach fragt, was jemand brauchen darf innerhalb eines sich nicht verändernden Angebots. Ohne Bewusstseinwandel wird das Ziel des BTHG auch mit neuen Instrumenten verfehlt: Leistungen personenzentriert auszugestalten und an den Bedarfen des Einzelnen auszurichten.

Personenzentrierung heißt Bewusstseinswandel

Mein Plädoyer lautet deshalb: Gute ICF-orientierte Instrumente entwickeln, anpassen und umsetzen. Im gleichen Zuge Hilfeplanerinnen und Hilfeplaner praxisnah qualifizieren und supervidieren, damit sie auch tatsächlich die neue Denkweise der ICF in die Bedarfsermittlung einbringen. Sonst bleiben Veränderungen rein äußerlich. Und die wertvollen Impulse verpuffen.

Die Angebote von PROINTENT umfassen beide Ebenen: die Inhaltsebene und die Ebene des Bewusstseins. Informieren Sie sich darüber, wie wir arbeiten.

Wie können wir Ihre Organisation bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes unterstützen? Informationen zu unseren Leistungen finden Sie hier.

Markus Schäfers